CONFLICT ALT ESC – NEWS AUS BAGDAD, BEIRUT, JAFFA UND KAIRO
02. BIS 07. NOVEMBER / HAU 1 / HAU 2 / HAU 3

Gerade ist die Aufmerksamkeit für die Revolution in Kairo geringer geworden. Die Euro-Krise hat alles verdrängt, wir sind zum Alltag übergegangen. Mubarak ist nicht mehr an der Macht, aber die Herrschaftsstrukturen haben sich nicht wirklich verändert. Auch in Madrid und London hat es Aufstände gegeben: Während in London zunächst nur vom „Mob“ die Rede war, hat sich langsam ein anderer Blick darauf entwickelt, und plötzlich verweisen die Aufstände auf den Hintergrund einer übergreifend verlorenen Generation.
Eröffnet wird der Schwerpunkt „Conflict Alt Esc“ mit der Inszenierung „Irakese Geesten/Irakische Geister“ von Mokhallad Rasem (02. und 03. November). „Without the war I could not be in this show. Thanks to the war. Without the war I could not make you applaud in the end…thanks to the war.”
2006 kommt Mokhallad Rasem von Bagdad nach Brüssel. Im Gepäck hat er den Krieg, das Trauma und die Knarre Theater. „Irakese Geesten“ ist seine erste große Regiearbeit für Belgien, und das Stück beginnt mit einem Knall. Nicht Schüsse, sondern Tiere, die ausbrechen, bereit für eine Musterschau. Mit dabei drei „echte Iraker“ und zwei „reizende Europäerinnen“. Multilingual präsentieren, erklären und besprechen sie, was unübersetzbar ist: Kriegsschilderung. Willkommen zur Show, willkommen im Zoo. In der Überschneidung von Darstellung und Erläuterung, Ironie und Groteske schafft es die Performance auf beeindruckende Weise, diese Unmöglichkeit zu thematisieren und zu reflektieren. Humor ist dabei nicht nur Mittel zum Zweck, sondern der Trick hinter dem Zirkus, der die wirklich extremen Situationen von außerhalb plötzlich auf die Bühne holt. Die fünf PerformerInnen „zappen sich durch eine rasante Szenenfolge, verknüpfen unbehaglich surreale Situationen mit kitschigen Filmausschnitten, lassen ehrliche Erfahrungsberichte ins Komische kippen und Alltägliches in der Katastrophe münden. [...] ‚Irakese Geesten’ feiert das Surreale als einzige Darstellungsmöglichkeit des Krieges. Wer gewinnt den Oscar für die beste Opferperformance?“ (Festival Theaterformen 2011)
Ebenfalls am Eröffnungsabend wird der ägyptische Regisseur Tamer el Said kleine Ausschnitte aus seinem gerade entstehenden Film „In the Last Days of the City“ zeigen. 2006 begann er daran zu arbeiten, 2008 schrieb er in seinem director’s statement “I am making this film out of love for my city and because I want to show its contradictions – its rising violence and invisible magic, and the story of our silence as we watch our cities being conquered by oppression, ignorance and extremism. In Cairo, like in every other city in the Middle East, there is the feeling that we can’t keep going like this – the end is near, and it might be violent.” Gegen Ende der Dreharbeiten, Anfang 2011, wurde die Utopie/Apokalypse des Films wahr. Wie geht der Künstler damit um? Was war seine ursprüngliche Motivation für den Film? Wie haben andere Künstlergenerationen ihr Verhältnis zu Regime und Gesellschaft reflektiert? Im Artist Talk mit Tamer El Said über sein work in progress und in der Präsentation des von ihm ausgewählten Filmes „Afaq“ von Shadi Abdel Salam (1970) geht es um das Verhältnis von Künstler und Staat.

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