Profil

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Dem Modellversuch Hebbel-Theater ging 1988 die "Werkstatt Berlin" voraus. Nach einer Entscheidung des damaligen Berliner Kultursenators Volker Hassemer sollte Berlin-West durch die "Werkstatt" als "Kulturstadt Europas" ins öffentliche Bewußtsein gerückt werden. Unter der Leitung von Nele Hertling entstand ein für diesen Anlaß eher unkonventionelles Programm, das sich fast ausschließlich der Produktion und Präsentation zeitgenössischer Kultur widmete. Die zentrale Idee war es, Künstler aus aller Welt nach Berlin einzuladen, um durch die Begegnung mit den vielfältigen innovativen Entwicklungen dem kreativen Leben in der Stadt neue Impulse zu geben. Der Aufbau eines Netzwerks hatte begonnen. Dank der gewonnenen Kontakte konnte das Hebbel-Theater fast nahtlos am internationalen Programmprofil weiterarbeiten.

Das Konzept, mit dem das Team des Hebbel-Theaters im Januar 1989 an den Start ging, galt in Berlin, und ganz allgemein in Deutschland, zunächst als ungewöhnlich und risikoreich: ein Haus ohne eigenes Ensemble, Repertoirebetrieb und ausgedehnten Verwaltungsapparat, mit einem kleinen Team von festen Mitarbeitern und einem – im Vergleich zu den üblichen Staats- und Stadttheatern - eng gesteckten künstlerischen Etat. "Als wir hier anfingen, war ein Fußgänger auf der Stresemannstraße eine Seltenheit", erinnert sich Nele Hertling heute. Am Rande der Mauer zu Ostberlin und zwischen neuen Wohnhäusern gelegen, befand sich das Hebbel-Theater in einer wenig belebten Gegend Berlins. Das änderte sich schlagartig mit dem Fall der Mauer im November 1989: "Da waren wir plötzlich mitten in der Stadt, haben uns schnell in den Osten eingeklinkt und stießen auf ein großes Interesse an zeitgenössischem Tanz und Musiktheater".

Das Team um Nele Hertling und ihre Stellvertreterin Maria Magdalena Schwaegermann entwickelte enthusiastisch einen neuen Spielplan: Als Haus für internationales Theater, neue Musik und zeitgenössischen Tanz, mit Eigen- und Koproduktionen als wesentlichem Bestandteil der künstlerischen Konzeption, war es flexibel, Projekte zu initiieren, neue theatrale Ausdrucksformen aufzugreifen und in Berlin vorzustellen. Eingebunden in ein Netzwerk internationaler Produzenten, das durch gemeinsame Finanzierung und Organisation aufwendige Projekte häufig erst ermöglichte, hat sich das Hebbel-Theater in der Berliner Theaterlandschaft schnell als eine Alternative zum üblichen deutschen Theaterbetrieb durchgesetzt. Es gilt heute nicht nur als ein überregional renommierter Ort für erstklassige Tanz-, Theater- und Musiktheateraufführungen, sondern auch - und das ist seine Basis - als ein wichtiges zeitgenössisches Forum, das sich den Handlungsspielraum erlaubt, die Grenzen zwischen Tanz, Performance, Schauspiel, Musik und bildender Kunst immer wieder neu und unerwartet auszuloten.

"In unserer Zeit, in der mehr und mehr Kulturinstitutionen und damit auch Künstler im Kampf um ihre Existenz zu Verlierern werden, empfinden wir es als herausfordernde Aufgabe, kreative Prozesse und Projekte zu ermöglichen, die versuchen, neue Positionen zu formulieren und zu behaupten."
Nele Hertling


Künstlerisches Profil konnte das Hebbel-Theater mit Eigenproduktionen gewinnen, die das Haus teils selbstständig, teils in enger Kooperation mit verschiedenen Partnern im In- und Ausland initiierte. Ziel war ein Spielplan, der nicht durch kurzfristige Gastspiele bestimmt sein sollte, sondern geprägt durch eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit internationalen Künstlern und Kompanien, gewachsen aus genauer Kenntnis und gegenseitigem Vertrauen. Dieses Produktionsmodell wurde vor allem möglich, weil das Hebbel-Theater kein festes Ensemble besitzt und die Produktionen nicht in der herkömmlichen Form in den Betrieb eines Hauses eingebunden sind. Sie entstehen in kleinen Gruppen von Künstlern und Technikern, die sich nur für die Dauer der Projekte oder einer Tournee zusammenfinden.

Auf diese Weise hat sich das Hebbel-Theater in den nunmehr 11 Jahren seines neuerlichen Bestehens als internationale Koproduktionsstätte für zeitgenössisches Theater, modernen Tanz und neues Musiktheater profiliert. In einem flexiblen Netzwerk mit vergleichbaren Häusern und Festivals versucht das Hebbel-Theater, ambitionierten innovativen Künstlern durch verschiedene Kooperationsmodelle angemessene Arbeits- und Präsentationsformen zu ermöglichen. Zunächst im Verbund mit dem TAT (Theater am Turm) in Frankfurt, Felix Meritis in Amsterdam, dem Kaaitheater in Brüssel, der Szene Salzburg und zusammen mit anderen internationalen Festivals in Avignon, Barcelona, Brüssel, Edinburgh, Paris, Rom oder Wien, hat sich dieses Netz mit den Jahren verändert und über Europa hinaus ausgedehnt. Heute steht das Hebbel-Theater in regem Kontakt mit Kulturinstitutionen in vielen Ländern der Welt.

Die internationale Zusammenarbeit hat einen Teil der koproduzierenden Häuser Anfang der 90er Jahre motiviert, eine gemeinsame Publikation herauszugeben. Von 1992 bis 1998 entstanden 13 Ausgaben der "Theaterschrift", die in Interviews und Texten aufzeigt, was zeitgenössische Künstler über ihre Arbeit und die Welt, in der sie leben, zu sagen haben. Die internationale, viersprachige Edition beschäftigt sich mit neuen Entwicklungen des Theaters und versucht, eine Brücke zwischen Theorie und Praxis zu schlagen.

Zu den Erfolgsgeschichten des Hebbel-Theaters zählt das "Internationale Tanzfest Berlin - Tanz im August", das alljährlich in Kooperation mit der "TanzWerkstatt Berlin" stattfindet. Als eines der größten Tanzfestivals in Europa begeistert es seit mehr als 10 Jahren eine wachsende Zahl von Zuschauern und gilt als wichtiges und nahezu einziges Forum für internationalen zeitgenössischen Tanz in Berlin.


"Das Hebbel-Theater ist ein wirklich internationaler Ort mit einer Struktur, die in Berlin einmalig ist. Weltoffen und frei. In Moskau, Montréal oder Paris kennt man von den hiesigen Theatern das Berliner Ensemble, die Schaubühne und uns."
Nele Hertling